Mancher meint vielleicht, daß es in Polen außer den bekannten Touristenzentren nichts zu sehen gibt. Das ist Ansichtssache, wie ich meine. Wir haben einen Aufenthalt in der Niederlausitz unter anderem für einen Ausflug nach Ostbrandenburg im heutigen Polen genutzt. Die Oder-Neiße-Linie bildet heute die Grenze zwischen Deutschland und Polen. Tatsächlich waren diese beiden Flüsse in Jahrhunderten nie eine Grenze. Östlich der Neiße befindet sich der ehemalige Ostteil des heutigen Bundeslandes Brandenburg.
Etwa 30 km östlich dieser Grenze liegt das kleine Städtchen Sommerfeld, heutiger Name Lubsko.
httpss://de.wikipedia.org/wiki/Lubsko
Der etwa 14000 Einwohner zählende Ort blieb im Zweiten Weltkrieg unzerstört. Somit blieben auch die alte Häuser erhalten, die vor 1945 von den deutschen Bewohnern errichtet wurden.
Wir fuhren von Cottbus aus über Forst nach Sommerfeld/Lubsko. Wenige Kilometer vor der Stadt hat sich Familie Neureich eine standesgemäße Unterkunft geschaffen. Dazu muß man wissen, daß viele Polen ihren Lebensunterhalt durch Handwerkerleistungen oder Handelsgeschäfte auf deutscher Seite bestreiten, aber in Polen zuhause sind, wo sie sich aufgrund der hohen Einkünfte mehr als der in Polen arbeitende Nachbar leisten können.
Schauen wir uns mal um in Sommerfeld. Überwiegend klassizistische Hausfassaden aus dem 19. Jahrhundert.
Auch eine Fußgängerzone gibt es.
das Rathaus – es fehlt ein Ratskeller
Hier mal eine polnische Eigenheit: ein Kiosk. Der unterscheidet sich völlig von den bei uns üblichen. Hier gibt es neben Zigaretten und Alkohol auch andere Waren des täglichen Bedarfs. Der Kiosk wird auch in den späten Abendstunden von Kunden aufgesucht, wenn die anderen Geschäfte geschlossen haben. Zu später Stunde kann man jedoch die Waren nur durch eine vergitterte Luke bekommen.
Die früher evangelische, jetzt katholische Kirche konnte ich nur bis zum Vorraum betreten.
Johannes Paul II war auch schon da.
Die jahrhundertealte deutsche Vergangenheit erkennt man nur noch an alten Grabinschriften in der Kirche.
Ein ganz neuer Wirtschaftszweig sind Pflegeheime für alte deutsche Menschen. Aufgrund des niedrigeren Lohnniveaus lohnt es sich scheinbar, Opa oder Oma hier betreuen zu lassen.
Viel steht nicht mehr von der alten Burg im Ort.
Wir verlassen Sommerfeld in westlicher Richtung und fahren nach Dluzek, dem ehemaligen Dorf Dolzig. Noch nie gehört? Das ist durchaus denkbar. Und doch gibt es hier eine Besonderheit. Die spätere Gattin von Kaiser Wilhelm II wurde hier auf Schloß Dolzig im Jahr 1858 geboren. Die Dame stand zu Lebzeiten im Schatten ihres dominanten Gatten und ist heute fast vergessen. Dabei war sie meiner Einschätzung nach damals kein Heimchen am Herd, sondern engagiert und selbstbewußt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Auguste_V…rg-Augustenburg
Kaiser Wilhelm II und Kaiserin Auguste Viktoria
Ein kleines teilweise unbewohntes Dorf mit einem verwunschenen eingewachsenen alten Schloß gleich neben der Kirche.
Vom früheren Glanz des Geburtshauses der Kaiserin ist nicht mehr viel geblieben (Danke Waldi für das Bild!)
So sieht das leerstehende Gebäude heute von hinten aus.
An der Kirche weist ein auch deutschsprachiges Schild auf die prominente Dorfbewohnerin hin. Die junge Dame wurde sehr religiös erzogen.
Das war es auch schon mit meinem kleinen Rundgang im „nahen Osten“. Vielleicht noch ein paar Tipps für diejenigen, die es mir nachmachen möchten. Mit Euro und der deutschen Sprache kommt man nur unmittelbar an der Grenze weiter. Hier gibt es Großtankstellen. Der Benzinpreis ist in Euro angeschrieben. Daneben das übliche wie Tabak- und Alkoholgeschäfte, Märkte, wo alles mögliche erworben werden kann und natürlich einschlägige Amüsierbetriebe.
Bereits in Sommerfeld ist das alles anders. Mit deutsch kommt man genauso wenig durch wie mit Euro. Englisch sprechen nur die jungen Leute. Pkw mit deutschen oder niederländischen oder englischen Kennzeichen gehören nicht Touristen, sondern polnischen Gastarbeitern im Ausland, die auf Heimatbesuch sind.
Und noch was. Mein alter Skoda wurde weder gestohlen noch aufgebrochen während er tagsüber am Straßenrand in einer Seitenstraße stand.
Jürgen